Genderdoppelpunkt und ein Missverständnis

Seit ein bis zwei Jahren ist neben dem Gendersternchen auch immer häufiger der Genderdoppelpunkt zu sehen (Grafiker:innen). Die Stadt Lübeck hat ihn beispielsweise Anfang 2020 in ihrere Verwaltungssprache eingeführt. Er wurde immer häufiger benutzt – oft mit dem Argument er sei im Gegensatz zum Gendersternchen oder -unterstrich barrierefrei.

Tatsächlich lesen viele Screenreader den Doppelpunkt mit einer Pause. Das geschriebene Wort Grafiker:innen wird dann „Grafiker ….. innen“ gelesen. Beim Gendersternchen hingegen wird das Wort „Sternchen“ explizit vorgelesen: Grafiker*innen -> „Grafiker Sternchen innen“.

Verständlich, dass angenommen wurde, dass der Doppelpunkt damit barrierefreier ist. Es handelt sich hier aber um ein Missverständnis.

Denn auch der Genderdoppelpunkt hat Nachteile.
Die Screenreader lesen die Pause nicht kurz, so wie wir den Genderdoppelpunkt oder -stern eigentlich aussprechen, sondern so als seien beide Wortteile (Grafiker und innen) zwei eigenständige Wörter. Manche Menschen stellen ihre Screenreader so ein, dass der Doppelpunkt explizit vorgelesen wird, weil er in anderen Kontexten wichtig ist.
Außerdem kann der Doppelpunkt von Menschen, die sehbeeinträchtigt sind, schwerer erkannt werden als das Sternchen.

Beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband gibt es Empfehlungen, wann gendergerechte Sprache für blinde und sehbehinderte Menschen barrierefrei ist. Die Empfehlungen wurden im März 2021 akualisiert und sprechen sich explizit gegen den Doppelpunkt aus. Nur in Ausnahmefällen soll das Sternchen benutzt werden. Weitere Infos hier: https://www.dbsv.org/gendern.html