„Wie kann ich richtig gendern?“ Diese Frage erhalte ich regelmäßig in Workshops und Emails.
Die eine korrekte gendergerechte Schreibweise gibt es nicht. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, die alle ihre Vorzüge und Grenzen haben. Welche Schreibweise Sie wählen, kommt auch immer auf den Kontext Ihres Textes und auf Ihre lesende Zielgruppe an. Was hat Priorität: Lesefluss, Bekenntnis zu Gleichberechtigung, formale Anforderungen (Design/Platz), Verständlichkeit für die Zielgruppe, politisches Statement, interne einheitliche Schreibweise in Ihrer Organisation, amtliche Schreibweise als Vorgabe, … ?
Wenn Sie die Schreibweise verwenden, die am besten in Ihren Kontext passt, dann haben Sie die „richtige“ Schreibweise gewählt.Ja, Sie können. Sie müssen aber nicht.
Auch hier stellt sich die Frage, was für Sie Priorität hat: Wollen/sollen Sie Ihren Text nur nach amtlichen Regeln formulieren? Sollen nur Wörter verwendet werden, die im Duden stehen? Oder sind Wortneuschöpfungen, ja das Spiel mit der Sprache zulässig? Sprache verändert sich permanent, weil sich die Welt verändert. Früher gab es keine Handys, also stand „Handy“ auch nicht im Duden. Mit der Zeit wurden viele Wörter neu in den Duden aufgenommen, nachdem sie sich in der gesprochenen Sprache durchgesetzt haben. 2013 wurden 5000 neue Wörter in den Duden aufgenommen, u.a. die Begriffe Liebesschloss, Enkeltrick oder die Vorständin (!). 2017 kam beispielsweise die Ansprechperson hinzu, von der wir 2015 hier auf dieser Website noch rätselten, ob sie zukünftig in den Duden aufgenommen wird (s. auch Blogeintrag „Neu im Duden: Ampelfrau, Wutbürgerin und Binnen-I“). Das Wörter Gendersternchen und gendergerecht galten 2020 als weit verbreitet genug, um im Duden gelistet zu werden.
Wer weiß, vielleicht schafft es ja auch die Teilnahmeliste oder die Erziehungskraft in eine der nächsten Auflagen?Die Formulierung Sehr geehrte Damen und Herren! reicht dann aus, wenn Menschen mit männlichem und weiblichem Geschlecht angesprochen werden.
Sollen mehr als zwei Geschlechter angesprochen werden, gibt es verschiedene Formulierungsmöglichkeiten. Es gibt genderneutrale Schreibweisen, die alle Menschen einschließt. Das Gendersternchen oder der Gendergab kann benutzt werden oder die konkrete Zielgruppe angesprochen werden.- Guten Tag!
- Sehr geehrtes Team der Muster GmbH!
- Sehr geehrter Kundenservice der TeleGesell!
- Sehr geehrte Führungskräfte!
- Sehr geehrte Beschäftigte!
- Sehr geehrtes Publikum!
- Sehr geehrte Tagungsteilnehmende!
- Sehr geehrte Anwesende!
- Sehr geehrte Mitwirkende!
- Sehr geehrtes Kollegium!
- Sehr Geehrte!
- Sehr geehrte Zuständige!
- Sehr geehrte Abteilung B!
- Liebes Team!
- Liebes Team der Abteilung B!
- Liebe Menschen!
- Seien Sie gegrüßt!
- Hallo, herzlich willkommen an alle!
- …
Übrigens: Bei einer konkreten Person, deren Geschlecht nicht bekannt ist, ist die Begrüßung „Guten Tag Vorname Nachname“ (Guten Tag Lou Bozkurt!) mittlerweile gängige Praxis.
Betriebsrat, Vorstand oder Stadtrat – müssen diese Wörter gegendert werden?
Ja und nein, denn es kommt auf die Bedeutung des Wortes an:- Meint der Begriff eine einzelne Person, sollte er auch gendergerecht geschrieben werden. Wenn klar ist, welches Geschlecht die Person hat, wird vom Betriebsrat oder der Betriebsrätin gesprochen. Wenn es nicht eindeutig klar ist, welches Geschlecht die Person hat, kann genderneutral formuliert werden. Eine gendergerechte Schreibweise lässt sich zum Beispiel mit der Doppelform umsetzen:
Wir suchen eine Betriebsrätin oder einen Betriebsrat / einen Vorstand oder eine Vorständin / einen Stadtrat oder eine Stadträtin.
Eine geschickte Möglichkeit gibt es aber auch:
Wir suchen ein neues Mitglied für den Betriebsrat/Vorstand/Stadtrat. - Meint der Begriff das jeweilige Gremium, ist die gendergerechte Variante überflüssig.
Frau Uzun wurde in den Betriebsrat gewählt.
Der Vorstand tagt jeden Mittwoch um 10 Uhr.
Der Stadtrat besteht aus 40 Personen.
- Meint der Begriff eine einzelne Person, sollte er auch gendergerecht geschrieben werden. Wenn klar ist, welches Geschlecht die Person hat, wird vom Betriebsrat oder der Betriebsrätin gesprochen. Wenn es nicht eindeutig klar ist, welches Geschlecht die Person hat, kann genderneutral formuliert werden. Eine gendergerechte Schreibweise lässt sich zum Beispiel mit der Doppelform umsetzen:
Nein. Als Neutrum ist das Wort bereits genderneutral: das Mitglied. Es ist nicht notwendig, es zu gendern.
Ebensfalls in diese Kategorie gehören:
das Individuum, das Opfer, die Person, der Mensch, die Waise, der Liebling, die Koryphäe, der FanWenn Sie wissen, dass es sich bei einer konkreten Person, von der Sie schreiben/sprechen, um einen Mann handelt, ist es nicht notwendig (ihn) zu gendern.
- „Meine Cousine heiratete vor einem Jahr ihren Mann.“ -> Die genderneutrale Variante dieses Satzes ist nicht sinnvoll und auch nicht verständlich: „Meine Cousine heiratete vor einem Jahr ihre Person.“
Gleiches gilt für den Fall, wenn Sie wissen, dass eine gesamte Personengruppe tatsächlich zu 100% aus Männern bzw. Frauen besteht:
- „Alle geöffneten Kassen waren von Kassierern besetzt.“ -> Dieser Satz kann so bleiben, wenn alle Kassierer Männer sind.
- „In der Talkrunde am kommenden Donnerstag diskutieren Expertinnen die aktuelle politische Situation.“ -> Dieser Satz kann so bleiben, wenn die Talkrunde ausschließlich aus Frauen besteht.
Gendergerechte Alternativen sind also dann hilfreich, wenn Sie eine gemischte Personengruppe benennen möchten oder Sie sich nicht sicher sind, welche Geschlechter vertreten sind oder sein werden:
- „Jeden Donnerstag diskutieren Fachleute die aktuelle politische Situation.“
Warum schlägt das Genderwörterbuch dann überhaupt Begriffe im Singular vor? Wenn Sie wissen, dass die Ansprechperson eine Frau ist, können Sie den Begriff Ansprechpartnerin wählen. Wenn die Ansprechperson ein Mann ist, können Sie Ansprechpartner beibehalten. Wenn Sie aber nicht wissen (können), welches Geschlecht die Ansprechperson hat, ist ein gendergerechter Begriff auch im Singular nützlich:
- „Wer ist in Ihrem Unternehmen die Ansprechperson für Arbeitssicherheit?“
- „Die jeweilige Ansprechperson für Öffentlichkeitsarbeit soll eine Fortbildung zum Thema ‚Social Media‘ besuchen.“
Besonders Lektor*innen haben immer wieder die Vorgabe amtliche Regeln der deutschen Sprache in ihrem Lektorat zu berücksichtigen. Marion Kümmel stellt in ihrem Blog Federwerk die aktuellen Regeln dazu vor:
Federwerk.de: „Gendern – Schreibvarianten für Personenbezeichnungen“ (07.2023)Empfehlung des Genderwörterbuches für Stellenausschreibungen:
- Neutrale Formen (beziehen alle mit ein)
Kitaleitung gesucht! - Umformulierungen
Wir suchen Verstärkung für unsere Kita - Gendersternchen oder Gender-Gap
Kitaleiter_in gesucht! bzw. Kitaleiter*in gesucht!
Die Form [Bezeichnung im generischen Maskulinum] + (m/w/d) oder (m/w/i) (z.B. Kitaleiter (m/w/i) gesucht!) ist nicht empfehlenswert, da das generische Maskulinum dominiert und Frauen und andere Geschlechter sich ggf. nicht angesprochen fühlen und somit auch nicht bewerben.
Außerdem hat die Antidiskriminerungsstelle des Bundes hat Empfehlungen für diskriminierungssensibel Stellenausschreibungen herausgegeben mit folgenden Vorschlägen:
- merkmalsneutrale Formulierungen verwenden
- Jobbezeichnung in neutraler Sprache formulieren
- geschlechtsneutral formulierte Qualifikationen verwenden
- Stellenausschreibung möglichst ausgeglichen formulieren in Bezug auf Eigenschaften
- auf Fotos in Stellenausschreibungen verzichten
- Gruppen, die im Unternehmen unterrepräsentiert sind, explizit zu Bewerbungen auffordern
Ausführlich nachzulesen im Kapitel 4 der Studie “Diskriminierung in Stellenanzeigen. Studie zur Auswertung von Stellenanzeigen im Hinblick auf Diskriminierung, Ausschlussmechanismen und positive Maßnahmen (08/2018)”[Leider als Download nicht mehr verfügbar; aber auch hier geht es um das Thema “Fair in den Job! – Leitfaden für diskriminierungsfreie Einstellungsverfahren”, 2019, Kapitel 3, Download pdf)
- Neutrale Formen (beziehen alle mit ein)
Die Neuen Deutschen Medienmacher stellen auf ihrer Website ein Glossar mit Formulierungshilfen für eine diversitätssensible Sprache im Journalismus bereit.
Es wird beispielsweise erklärt, dass „Ausländer mit deutschem Pass“ ein sachlich falscher Begriff ist und wie er ersetzt werden kann, oder was ein „Bio-Deutscher“ bedeutet. Zusätzlich werden alternative Formulierungen vorgeschlagen.
Empfehlenswert, um gängige Begriffe in Alltagssprache und Berichterstattung kritisch zu hinterfragen!
Neue Deutsche Medienmacher: Glossar (Link)Unter Leidmedien.de werden ausführliche Informationen und Tipps rund um Berichterstattung über Menschen mit Behinderungen bereitgestellt. Auch das ist ein wichtiger Beitrag zum Thema diversitysensibler Sprache.
Eine umfassende Linksammlung zu den verschiedenen Facetten diversitätssensibler Sprache stellt die Hochschule Konstanz zur Verfügung (Link).
Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im November 2017, das eine dritte Option im Personenstandregister vorsieht, ergeben sich für Unternehmen und Verwaltungen viele offene Fragen.
In Stellenausschreibungen wird mittlerweile standardmäßig die Form (m/w/d) eingesetzt, z.B. „Sachbearbeiter (m/w/d)“. d steht dabei für divers und soll diejenigen ansprechen, die sich nicht dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zuordnen können oder wollen (z.B. inter* oder trans* Personen).
Doch auch in vielen anderen Bereichen können Unternehmen und Verwaltungen darauf achten, alle Personen anzusprechen oder zu nennen.
Die Stiftung PROUT AT WORK hat dazu umfassende Empfehlungen in einer Broschüre veröffentlicht, z.B. wie man Menschen ansprechen kann, wenn man das Geschlecht nicht weiß (z.B. Guten Tag Vorname Nachname!). Sehr empfehlenswert für alle, die sich detaillierter mit dem Thema beschäftigen möchten oder noch offene Fragen haben:
„Sprechen Sie LGBT*IQ?“Link: https://www.proutatwork.de/produkt/how-to-3-sprechen-sie-lgbtiq/
Es ist ganz einfach das Gendersternchen * im einzelnen Begriff anzuwenden: es wird vor die Silbe -in / -innen gesetzt:
die Mitarbeiter → die Mitarbeiter*innen
Chef → Chef*in
Expertenwissen → Expert*innenwissenDoch wie funktioniert das bei Pronomen, Artikel und Silbentrennung? Hier ein paar Anwendungsbeispiele:
Artikel und Pronomen
der Chef → der*die Chef*in
sein Hund → sein*ihr Hund oder ihr*sein Hund
Er ist teamfähig. → Er*sie ist teamfähig.Bei unterschiedlichem Wortstamm
Arzt → Ärzt*innen oder Ärztin*Arzt
Anwalt → Anwält*in oder Anwalt*AnwältinGenitiv
Der Arbeitsplatz des Altenpflegers. → Der Arbeitsplatz des*der Altenpfleger*in. oder Der Arbeitsplatz des*der Altenpflegers*Altenpflegerin.Silbentrennung
Bsp. Dozent*innen- Silbentrennung ganz vermeiden
- Das Wort an einer Silbe im Wortstamm trennen:
Do-
zent*innen
Weitere Möglichkeiten
- Dozent*-
innen - Dozent*
innen - Dozent-
*innen - Dozen-
t*innen - Dozent*in-
nen
Unsere Überlegungen:
- Englische Berufsbezeichnungen mit Endung -er
Einige englische Berufsbezeichnungen wie Manager oder Trainer sind längst an das Deutsche angepasst worden. Wir sprechen automatisch von der Managerin oder hängen im Genitiv ein -s an (die Sporttasche des Trainers). Auch weniger geläufige Begriffen wie Producer lassen sich ohne Probleme ans Deutsche anpassen. Daher empfehlen wir englische Berufsbezeichnungen auf -er zu gendern, d.h. entweder ein /-in oder *in oder _in etc. anfügen oder wahlweise eine genderneutrale Variante suchen.
Bsp. Manager -> Manager*in, Manager/-in, Management, Führungskraft - Andere englische Berufsbezeichungen
Bei allen anderen englischen Berufsbezeichnungen wie Coach oder Guide ist es schon komplizierter. Da diese Begriffe bisher selten ans Deutsche angepasst werden (z.B. ist Coachin bisher eher selten), empfehlen wir diese durch den Artikel zu markieren. Ist das Geschlecht bekannt, kann der entsprechend passende Artikel genommen werden. Ist das Geschlecht nicht bekannt, funktioniert der*der bzw. der:die ganz gut.
Bsp.: Coach -> der*die Coach
Andere Herangehensweisen (Dank an C.):- Englische Begriffe, die im Duden geführt werden, werden wie muttersprachliche Wörter behandelt.
Bsp.: der Coach, die Coachin; der Stakeholder, die Stakeholderin; der User, die Userin. - Englische Begriffe, die noch nicht im Duden geführt werden, werden ohne Artikel verwendet.
Bsp.: Host in der heutigen Sendung ist Frau Muster; Bouncer ist Frau Muster
- Englische Berufsbezeichnungen mit Endung -er
- Einige dieser Begriffe lesen wir als eindeutig genderneutral: Bekanntschaft, Kundschaft, Kollegschaft.
- Bei anderen sind wir uns nicht sicher: Nachbarschaft, Partnerschaft, Anwaltschaft.
- Bei anderen ist das generische Maskulin eindeutiger im Wort zu erkennen: Ärzteschaft, Professorenschaft, Schülerschaft. Trotzdem werden diese Begriffe häufig als genderneutral und Gesamtheit der jeweiligen Gruppe gelesen. Deshalb führen wir sie momentan als Alternative mit auf.
Die Regeln der Leichten Sprache sind mit gendergerechter Sprache vereinbar.
Meist wird die Doppelform verwendet, wobei die maskuline (meist kürzere) Form zuerst steht.
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
(s. Leichte Sprache. Ein Ratgeber. Bundesministerium Soziales und Arbeit. 2014, S. 48; Link zu Online-Version)Bei den Regeln Leichter Sprache geht es um Lesbarkeit und die Lesemotiviation: Die kürzere männliche Form kann schneller gelesen werden und bei der ähnlichen weiblichen Form ist für viele dann schon klar, dass nun die weibliche Form folgt, sodass dieses Wort meist gar nicht zu Ende gelesen werden muss. Ein Nachteil: Die Doppelform macht Sätze länger, und eine Regel für Leichte Sprache ist es, möglichst kurze Sätze zu verwenden.
Sonderzeichen wie Sternchen oder Unterstrich sollen in der Leichten Sprache nicht verwendet werden, da sie Wörter für die Zielgruppe unlesbar oder unverständlich machen.
Mitarbeiter*innenMitarbeiter_innenAuch neutrale Begriffe, wie sie im Genderwörterbuch vorgeschlagen werden, sollten möglichst vermieden werden, da sie bei der Zielgruppe oft nicht verstanden werden.
MitarbeitendeTexte können sowohl barrierefrei als auch gendergerecht geschrieben sein.
Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. empfiehlt dabei folgende Schreibweisen:
- Doppelform (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter)
- Neutrale Formen (Team) oder geschickte Formulierungen, die kein Geschlecht explizit nennen (s. Tipps und Tricks)
- Vermeiden von Sonderzeichen wie Schrägstrich-Bindestrich /-, Unterstrich _ oder Doppelpunkt :
- Vermeiden des Binnen-I
- Nur in Ausnahmefällen soll das Sternchen * eingesetzt werden, wenn andere empfohlene Schreibweisen nicht möglich sind.
(Quelle: „Gendergerechte Wortwahl“ auf dbsv.org)
Ausführliche Infos zum Thema gibt auch der Referent für Barrierefreiheit Domingos de Oliveira auf seiner Website netz-barrierefrei.de/wordpress im Artikel „Gendergerechte Sprache und Barrierefreiheit“.
Wenn Unternehmen viel mit Online-Texten arbeiten, zögern einige von ihnen gendergerechte Sprache zu verwenden, um weiterhin viele Klicks zu generieren. Sie befürchten aufgrund der gendergerechten Sprache schlechter über Suchmaschinen gefunden zu werden. Aber ist das überhaupt so? Und wie kann man beides vereinen?
Die Content Markenting Agentur Meningo hat einen Leitfaden dazu geschrieben, wie sich Klicks und gendergerechte Sprache vereinen lassen: